Zur Frage nach Zusammenhängen zwischen Händigkeit, Sprachlateralisierung und Stottern habe ich gerade nichts Eindeutiges gefunden (pubmed, google scholar), aber ein paar Hinweise. Auch das Buch "Stottern" von Ulrich Natke kann hilfreich sein (ich beziehe mich unten auf die 2. Auflage von 2005):
1) Zwar tritt eine atypische (redizierte oder umgekehrte) Sprachlateralisierung bei Linkshändern etwas häufiger auf als bei Rechtshändern (30 % vs. 10%), aber dennoch scheint es keinen starken Zusammenhang zwischen Händigkeit und Sprachlateralisierung zu geben. Das schreiben sowohl Natke (S. 62, Kapitel 8.7 "Zerebrale Dominanz") als auch
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2) Die HIrnstruktur von Stotternden unterscheidet sich von der von Nicht-Stotternden, aber die Unterschiede lassen sich nicht einfach eindimensional ("reduzierte Sprachlateralisierung") zusammenfassen. Hierhzu gibt es Informationen im Buch von Natke. Der
Übersichtsartikel von Sommer & Büchel (2004) diskutiert unter "Lessons from Imaging the Brain" Hinweise, dass in Sprach/Sprechaufgaben die rechte Hemisphäre bei Stotternden stärker aktiviert ist als bei Nicht-Stotternden, dies aber vor allem beim flüssigen Sprechen der Fall ist, während beim gestottertem Sprechen die linke Hemisphäre aktiver ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass die abweichende (schwächere) Sprachlateralisierung bei Stotternden nicht die Ursache des Stotterns sondern möglicherweise einen Kompensationsmechanismus für ein Problem in der Sprachsteuerung der linken Hemisphäre darstellt. In diesem Licht diskutieren die Autoren auch Geschlechterunterschiede (Männer stottern 4x häufiger als Frauen; aber Frauen weisen typischerweise eine schwächere Sprachlateralisierung auf!).
Wichtig ist bei all diesen Studien und sonstigen Beobachtungen, dass es sich meist um Unterschiede handelt, die nur im Gruppenvergleich statistisch messbar sind, nicht auf der individuellen Ebene. Ich finde das immer etwas unbefriedigend bei so einem komplexen (und offensichtlich auf der individuellen Ebene auftretenden) Phänomen wie dem Stottern. Zum Beispiel trägt der Artikel von Sommer & Büchel (2004) den Title "What causes stuttering?" - von der Beantwortung dieser Frage scheint man noch weit entfernt zu sein...
Viele Grüße, Julius
Büchel C, Sommer M (2004) What Causes Stuttering? PLoS Biol 2(2): e46. doi:10.1371/journal.pbio.0020046
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Natke U (2005): Stottern. Erkenntnisse, Theorien, Behandlungsmöglichkeiten.
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Somers, Metten, et al. "On the relationship between degree of hand-preference and degree of language lateralization." Brain and language 144 (2015): 10-15.
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