Deine Erklärungen machen alles verständlicher.
Mit "9. Sitzung" meinst Du die 9. Sitzung mit der Logopädin? Wird die Sitzung mit der Logopädin nicht ein Mal pro Woche gemacht? Demnach wäre die Therapie seit 9/10 Wochen am Laufen. Du schriebst jedoch, dass die Lidcombe-Therapie seit Oktober am Laufen ist. Strukturiert Eure Logopädin das anders?Will hat geschrieben:Wir sind bei der Lidcombe bisher auf dem Stand (ich glaube 9. Sitzung) dass bisher nur auf flüssiges Sprechen hingewiesen wird, so wie:
- das hast du super gesprochen.
- das hast du flüssig gesagt usw.
Bei der anderen Seite im Sinne von " da bist du grad gestolpert oder das war grad holprig" sind wir noch gar nicht. Wir üben täglich eine Einheit mit unserem Sohn beim Spielen und "kommentieren" wie oben dargestellt das flüssige Sprechen.
Jedenfalls macht es verständlich, dass bisher keine Auswirkungen aufs Sprechen/Stottern Deines Sohnes festzustellen sind. Wenn bisher ausschließlich auf das stotterfreie Sprechen hingewiesen wird, dann hat die Therapie in meinem Verständnis noch gar nicht richtig angefangen. Ich meine: wahrscheinlich ist dem Kind noch nicht mal richtig klar, was mit dem "super gesprochen" und "flüssig gesagt" gemeint ist - es fehlt bisher der Hinweis auf das "nicht super" und auf das "nicht flüssig"; da versteht das Kind bisher immer nur "alles super!" Das ist gut, um mit dem Kind eine positive Grundbeziehung bezüglich solcher Feedbacks aufzubauen, ist aber in meinen Augen lediglich Vorbereitungsarbeit.
Und das macht Ihr täglich seit Oktober? Bzw. seit 9/10 Wochen? - Ich weiß nicht, welchen genauen Ablauf das Lidcombe-Manual vorschreibt, aber mir erscheint das irgendwie arg in die Länge gezogen. Ich sollte mir endlich das Lidcombe-Manual besorgen. Schließlich finde ich mich in ein paar Jahren wahrscheinlich in der gleichen Situation wie Du wieder.
So eine Aussage ist ein Falschverständnis des mathematischen Begriffs "Wahrscheinlichkeit". Ich mache es mal an einem Beispiel deutlich.Will hat geschrieben:Uns hat sie gesagt, dass die Remissionswahrscheinlichkeit abnimmt, je länger ein Kind stottert.
Stell Dir das Szenario aus dem Schulsport vor, wo zwei Mannschaften gebildet werden, indem zwei Kinder die Mannschaftskapitäne stellen und aus der Gruppe von 10 weiteren Kindern abwechselnd jeweils ein Kind für ihre Mannschaft auswählen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für ein Kind aus dieser Gruppe als letztes gewählt zu werden?
Davon ausgehend, dass alle Kinder gleich beliebt sind bzw. in Unkenntnis der Beliebtheitsverhältnisse, ist die Wahrscheinlichkeit für jedes Kind gleich: 1/10 (10%), denn von den 10 Kindern ist am Ende irgendeines das letzte Kind. Was passiert nun, nachdem die ersten fünf Kinder gewählt worden sind? Es sind jetzt noch 5 Kinder zu wählen. Also ist die Wahrscheinlichkeit für jedes der zu wählenden Kinder IN DIESER PHASE auf 1/5 (20%) angewachsen, denn irgendeines von ihnen wird das zuletzt gewählte sein. Sind nur noch zwei Kinder übrig, ist die Wahrscheinlichkeit für jedes DIESER Kinder IN DIESER PHASE auf 1/2 (50%) gestiegen. Ist das vorletzte Kind gewählt, ist die Wahrscheinlichkeit für das verbliebene Kind, als letztes gewählt zu werden, 1/1 (100%).
Verschlechtert sich die Aussicht eines Kindes, nicht als letztes gewählt zu werden, je länger es nicht gewählt wird? - Nein! Sie bleibt immer gleich. Wenn es deswegen als letztes gewählt wird, weil es bei den Mannschaftskapitänen am unbeliebtesten ist, dann könnte man es GLEICH AM ANFANG herausfinden, indem man die beiden Kapitäne fragt: welches Kind wirst Du ZULETZT wählen?
Jetzt stelle Dir das Wählen des Kindes in eine Mannschaft als den Eintritt der Stotterremission vor, nur dass
- die Gruppe der Kinder am Anfang nicht 10, sondern 5 Kinder hat (5 für 5% der Kinder, die zu stottern anfangen),
- das Wählen viele Jahre dauert - bis ins Erwachsenenalter -
- und dass das letzte Kind bzw. der letzte Erwachsene gar nicht gewählt wird, also gar nicht remittiert;
dieser Erwachsene macht das eine Prozent aus, den die Stotterer in der erwachsenen Bevölkerung bilden.
Das und kein bißchen mehr ist mit der Aussage, dass die Remissionswahrscheinlichkeit abnimmt, je länger ein Kind stottert, gemeint. Insbesondere sind bisher keinerlei Anzeichen für "aufrechterhaltende Faktoren" des Stotterns oder eine etwaige "Stotternchronifizierung" gefunden worden. Psychologen und viele Logopäden reden gerne über "aufrechterhaltende Faktoren" und meinen damit lediglich das, was sie gerne dafür halten. Keine empirische Untersuchung konnte jedoch bisher irgendwelche "aufrechterhaltenden Faktoren" bestätigen oder eine "Stotternchronifizierung" aufzeigen. Zumindest ist mir keine solche Studie bekannt. Wem so was bekannt ist, der solle mich bitte korrigieren!
Soll heißen: entweder ist das Stottern schon von Anfang an chronisch - nur erfahren wir das erst, wenn das Kind erwachsen ist, und wir dann sehen, dass das Stottern immer noch nicht vergangen ist - oder das Stottern ist von Anfang an selbst- oder zumindest therapie-remittierend.
Da klingt mir nach der typischen "Entwicklungsstottern vs. (echtes) Stottern"-Auskunft. Ich bin ja schon Jahre damit beschäftigt, dieser Behauptung auf den Grund zu gehen, insbesondere dem "6-12 Monate"-Kriterium. Ich habe mir meine Meinung noch nicht abschließend gebildet, aber je mehr ich der Sache auf der Grund gehe, desto mehr zeichnet es sich für mich ab, dass das Unfug ist.Will hat geschrieben:Sie sagt die Kombination (Verwandte mit Stottern + 6-12 Monate andauerndes Stotern) sprächen für ein langfristiges Stottern bzw. für ein Stottern auch im Erwachsenenalter.
Könntest Du das Stottern Deines Sohnes genauer beschreiben? Insbesondere, was den Unterschied ausmacht zwischen den leichten und starken Phasen? Sind das mehr Wiederholungen - Laute, Silben, Wörter? - , sind das mehr stumme Blockaden oder Lautdehnungen? Deine Antworten würden mir nicht dazu dienen, Deine Situation besser beraten zu können. Die sind aus meinem persönlichen Interesse am kindlichen Stottern. Wenn Du es für besser hältst, kannst Du mir auch per private Nachricht antworten.Will hat geschrieben:Wir müssen uns einfach wieder bisschen beruhigen. Es ist halt nur so, dass immer dann, wenn das Stottern sehr stark wird, uns das auch belastet.
Gestern war mir noch zu
eingefallen, dass Du - wenn die Lidcombe-Therapie im Moment nicht hilft - mit dem Kind singen und etwas Musik machen könntest, seinem Entwicklungsniveau entsprechend. Das würde am Stottern/Sprechen nichts ändern, zumindest nicht unmittelbar. Das dient lediglich der Wahrnehmungsschulung: beim Singen muss man Töne treffen und sich an den Rhythmus halten. Es ist zwar kein Sprechen, aber ganz ungefähr geht es um Aspekte aus demselben Bereich, auf die das Kind zu achten lernen muss. Dazu wollte ich Dir raten in der Annahme, dass die Lidcombe-Therapie bei Deinem Kleinen (noch) nicht hilft. Sozusagen um fruchtbaren Boden für einen späteren Versuch zu schaffen.Will hat geschrieben:Kennt jemand noch andere Ansätze, wie man da ran gehen könnte.
Aber jetzt weiß ich ja, dass Eure Lidcombe-Therapie noch nicht richtig angefangen hat. Insofern ist der Vorschlag überflüssig. Höchstens als Reserve-Vorschlag.
Viele Grüße,
Paul